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Donnerstag, 21. Juli 2016

Symbiose

Donnerstag, 21. Juli 2016

Nur noch wenige Tage...dann stirbt sie ein weiteres Mal...nur noch wenige Tage. Ich bin noch immer gefangen in meinem Schmerz, der mich so unsagbar lähmt, der mir meine Kraft nimmt, der mich gierig sabbernd aufsaugt. Auch nach einem Jahr habe ich noch Tränen - mehr denn je. Woher kommt die Annahme, dass es nur ein Trauerjahr braucht? Wie dumm zu glauben, der Schmerz würde nach einem Jahr weniger. Wird er nicht! 
Der Schmerz bleibt für immer gewaltig... Ihre Körperhaltung, ihr Ausdruck in den Augen, während sie mehrfach  in den Wochen zuvor nur vier kleine Worte trotzig und leise und ängstlich und bestimmt sagte: "Ich will nicht sterben!"  - all das und noch vieles mehr hat sich für immer in mein Herz und in mein Hirn gebrannt und diesen Schmerz spüre ich immer und überall,  in gleichbleibender brennender Intensität. Niemals werde ich dieses sengende Gefühl des Verlustes, diese verzehrende Verlangen nach ihr...nach ihnen... verlieren. Der Schmerz ist ein treuer, beständiger Begleiter, immer an meiner Seite. Einzig und allein die Art und Weise, wie ich mit meinem Schmerz umzugehen lerne (oder auch nicht) wird sich ändern. Das ist die Erfahrung, die ich in diesem einem Jahr gesammelt habe.
Noch haben wir keine gleichwertige Partnerschaft. Noch ist er der dominante Part, der mich gefangen hält. Aber ich strebe eine symbiotische Verbindung an, in der wir uns gegenseitig nähren, weil mir der Schmerz die Erinnerung lebendig hält und ich somit auch von ihm zehre. Noch bin ich gefangen, gefangen in mir selbst, abhängig von meinem Schmerz. Doch solange Tränen da sind, ist noch Hoffnung da, ist noch Gefühl da, bin ich noch da, wenn auch nur schemenhaft, aber noch nicht verdorrt und abgestorben. Dieser Teil von mir lauert darauf, den Schmerz  in seine Schranken zu weisen...ein wütender, trotziger, aufbrausender Teil, der die Dominanz des Schmerzes auf Dauer nicht zu akzeptieren bereit scheint. Ich schreibe "scheint", weil dieser Teil hin un wieder wackelt, und zwar immer dann, wenn der Schmerz die Oberhand hat und mich brutal überfällt oder mir säuselnd ins Ohr flüstert, ich solle mich einfach in ihm vergraben. Schon ein paarmal konnte ich ihn geschickt und sacht zur Seite schieben (er hat es wahrscheinlich nicht gemerkt, war unaufmerksam, abgelenkt oder selbst müde?)  und hat Platz gemacht für ein herzhaftes Lachen, für eine demütige Liebkosung des Lebens. Aber die Zeit ist noch nicht reif, ich bin noch nicht reif. Ich hoffe, dass das Wort "noch" weiterhin vorherrscht und nicht irgendwann nur ein "nicht" einsam und alleine und angstbehaftet dasteht.

 Nimm dich in Acht vor Korfu, Schmerz

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