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Montag, 28. Januar 2019

Von Glück und Unglück



(von Ada)
Sein Unglück
ausatmen können
tief ausatmen,
so dass man wieder einatmen kann.
Und vielleicht auch sein Unglück sagen können
in Worten
in wirklichen Worten,
die zusammenhängen
und Sinn haben
und die man selbst noch verstehen kann
und die vielleicht sogar irgendwer sonst
versteht
oder verstehen könnte
und weinen können
Das wäre schon
fast wieder
Glück.

(Erich Fried)
 

Sonntag, 6. Januar 2019

Berge und Meer

Ada im Skiurlaub: "Den Jakob (ihr Skilehrer 2014, den die Zwillinge die ersten Tage nur für sich allein hatten) haben Vianne und ich super gern gemocht."
 
Entgegen unseres ursprünglichen Plans sind wir doch kurzerhand in den Ski- und Snowboardurlaub gefahren: gebucht haben wir am 21.12, und in der Nacht vom 24. auf den 25.12 befanden wir uns bereits auf dem Weg in Richtung Berge. 

Unsere gesamte Familie - nicht nur Micha, Luke, Ada und ich, sondern auch Vianne und Jesse - wollten auf den Stubaier Gletscher, wollten die Bretter durch den Schnee gleiten lassen und waghalsige Sprünge ausprobieren. Der Zufall, das Schicksal, die Bestimmung oder was auch immer haben uns dorthin geführt, indem uns kurzerhand ein Unterkunftsangebot über einen Email-Verteiler erreichte, wobei mir bis dato gar nicht mehr bewusst war, dass wir darin noch geführt werden, weil wir seit ca. 20 Jahren nicht mehr in dieser Pension waren. Nein, falsch, nicht nur das Schicksal hatte wohl seine Hände im Spiel: unser Herz hat uns dorthin geführt - und seinem Herz soll man bekanntlich folgen. Wir wurden belohnt: statt des spontan gebuchten Doppelzimmers bekamen wir sogar ein Upgrade auf eine gemütliche und geräumige Ferienwohnung, und die Sonne strahlte mit uns während der gesamten vier Skitage gemeinsam um die Wette. 


 
2014 - Weihnachten: Wir sind zu sechst auf dem Stubaier Gletscher, zudem begleiten uns Andi und Ralf. Wir wohnen alle zusammen in einer Ferienwohnung am Hang gegenüber von Neustift. Es ist ein wundersamer Urlaub. Es ist ein leichter Urlaub, obwohl dieser bedrohliche Schatten über Vianne schwebt. Nur sieben Monate vor ihrem Tod ist sie auf 3000 Meter Ski gefahren, während sich unterdessen die Tumorzellen unaufhaltsam in ihrem gesamten Liquorraum verteilen und vermehren. Es ist Wahnsinn, was sie geleistet hat, wozu sie imstande war. Auch wenn ich weiß, dass der Tod dort schon sehr nah vor unserer Tür stand, würde ich ohne zu Zögern in das Jahr 2014 zurückgehen, um meine süße, kleine mutige Tochter noch einmal Kichern zu hören und ihr sanft durch ihre Locken zu streichen... Du fehlst mir so sehr. Ich habe gerade eben das Buch "Über den Tod und das Leben danach" der Schweizer Ärztin Elisabeth Kübler-Ross zuende gelesen. Auch wenn es etwas nach dem Tod geben sollte, so nimmt es mir doch nicht den stechenden Schmerz des Verlustes im Hier und Jetzt. Aber ich verstehe die Liebe, die hinter allem steht und die wahrscheinlich des Rätsels Lösung ist... Die Wut, wenn auch mächtig und zeitweise entlastend, bringt mich nicht voran.
2018 - Weihnachten: Wir sind seitdem zum ersten Mal DANACH wieder im Stubaital. Wir sind zum ersten Mal DANACH wieder über Weihnachten im Schnee. Wir wussten, worauf wir uns einlassen. Lediglich auf der Rückfahrt konnte ich meine Tränen vor lauter unerfüllter Sehnsucht nach der Zeit, als wir zu sechst unterwegs waren, als wir zu sechst Weihnachten verlebt haben, nicht mehr zurückhalten. Es ist ein Sturm, der in mir tobt. Ich fühle, wie er unaufhaltsam heraufzieht, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen kann. Sehe die bedrohlichen Wolkentürme am Horizont. Und dann bricht er über mich herein und wirbelt mich wild durcheinander, bis die Luft wieder rein und klar wird und ich tief durchatmen kann. Letztendlich ist er reinigend, dieser Sturm... Aber er zerrt an jeder Faser meines Körpers und erschöpft und laugt mich aus. 
Die Entscheidung, in den Winterurlaub zu fahren beflügelte alle, zudem wir nach dem 24.12. sowieso nichts über die Feiertage geplant hatten. Meine Eltern überwinterten wieder in der Türkei, Andi und Ralf verweilten bis kurz vor Silvester auf Sri Lanka und mit Michas Familie hatten wir uns bereits am 23.12. zum Brunch getroffen. Es hielt uns also nicht allzu viel in Hennen. Ohne Murren packten Luke und Ada ihre Skiklamotten und fanden es überhaupt nicht schlimm, später am Heiligen Abend, nach dem Tannenbaumschmücken, nach dem Besuch der Gräber, an dem wir kleine Geschenke niederlegten, nach der Bescherung und einem unfassbar leckeren Weihnachtsmenü den Abflug zu machen. Wir waren uns einig und voller Vorfreude. Ich liebe unsere Spontanität und rechne Ada und Luke ihre große Flexibilität hoch an (und ohne die man in unserer Familie schier verloren wäre :)





Schon nach siebenstündiger Fahrt, auf der wir, wenn wir nicht gerade schlummerten, die Känguru-Apokryphen hörten und herzhaft lachten, erreichten wir unser Ziel um 9 Uhr morgens und konnten sogleich unsere Ferienwohnung in Beschlag nehmen. Bereits mittags standen wir mit den Brettern unter unseren Füßen bei hervorragenden Pistenverhältnissen auf dem Gletscher. Tags zuvor hatte es noch geschneit, so dass wir sogar etwas Tiefschnee fahren konnten. Luke perfektionierte seine Sprünge und Ada erlangte höhere Sicherheit auf dem Snowboard und meisterte auf ihrem Brett beide Drehungen und die ersten blauen Pisten, obwohl sie in den Osterferien das erste Mal überhaupt auf einem Snowboard gestanden hat. Alle unsere Kinder haben mit drei Jahren das Skifahren begonnen und dürfen sich im Alter von acht Jahren entscheiden, ob sie ebenfalls Snowboard fahren möchten. Luke und Jesse sind damals direkt aufs Board umgestiegen, Ada und ich fahren beides, weil wir uns nicht entscheiden können, was uns mehr Spaß bereitet. Ich nehme immer Jesses Board mit auf den Berg, Ada hat ihr eigenes kleines Brett, das sehr gut zu ihr passt. Auch der Umstieg auf die neuen Skier, die sie zu Weihnachten bekommen hat, fällt ihr sehr leicht und sie beherrscht sie schon ziemlich gut.
Am Abend des 29.12. kehrten wir nach Hennen zurück. Immer öfter hinterfrage ich in letzter Zeit, ob es weiterhin der richtige Platz für mich ist, auch wenn mich mit diesem Örtchen und seinen Einwohnern und Institutionen gegenüber immer tiefe Dankbarkeit verbinden wird. Am 31.12. machten wir uns bereits wieder frühmorgens auf den Weg zu unseren lieben Freunden an die Ostsee, um gemeinsam das alte Jahr ausklingen zu lassen und das neue zu begrüßen. Diese gemeinsame Zeit war wie immer wahnsinnig lustig, inspirierend, wohlig-vertraut, warmherzig und stärkend. 

"Möwenschiet"


 

Ich liebe unsere guten Gespräche, ich liebe es, wenn alle gemeinsam verstecken spielen und spannende Tischtennis-Rundlaufrunden und Dartspiele ausgetragen werden, ich liebe unsere Strandausflüge und die verrückten Ideen wie das Neujahresanbaden (vor dem ich mich gedrückt habe). Ich liebe das Meer und die Farben. In den letzten beiden Wochen hatten wir all das, was uns guttut: Berge und Meer (und liebe Menschen an unserer Seite).