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Sonntag, 8. Dezember 2019

Tage wie dieser

Es gibt Tage, in die möchte man sein gesamtes Leben hineinlegen. Tage, an denen dein Herz weit ist und dein Verstand folgt. Heute war so ein Tag. Im Kreise meiner engen Freunde haben wir uns zum mittlerweile traditionellen Weihnachtsbaumschmücken getroffen. Wir haben getanzt, getrunken, gelacht, gemeinsam nachgedacht und daraufhin noch mehr getanzt. 

Ich werde meine Freunde vermissen auf unserer Reise um die halbe Welt. Aber ich werde jeden einzelnen mitnehmen. Doch ganz oben im Gepäck sind Jesse und Vianne. Mein Versprechen gilt. 
Ich habe kraftraubende Tage hinter mir: eine meiner kleinen Patientinnen, der ich emotional sehr nahe stand, ist verstorben, eine andere hat eine infauste Prognose - sechs bis zwölf Monate schweben im Raum... und ich möchte in den sechs Wochen, die ich sie begleiten darf, dazu beitragen, dass es eine lebenswerte Zeit wird. Zeit! Sie rast momentan. In nur wenigen Wochen sind wir unterwegs - wohin auch immer. Es ist gut, dass wir aufbrechen. Wie hat es Luke treffend umschrieben? "Danke, dass ihr eine Tür öffnet, um mal auszusteigen..." Seine Freunde haben ihm eine Kette geschenkt - mit Viannes und Jesses Inititalen eingraviert. Das ist Leben und dafür bin ich dankbar. Immer wieder überfordern wir Ada und Luke im Alltag und wägen uns in dieser trügerischen Sicherheit  der Zeit.. Und dann kommt dieser Abend, an dem Ada sagt: "Ich fühle mich in meinem Zimmer nicht wohl, bei euch ist es besser." "Warum fühlst du dich nicht wohl bei dir?", frage ich sie. "Ich bin allein dort!", sagt sie, während sich ein See der Trauer in ihren Augen spiegelt. "Wenn ich früher einmal nicht einschlafen konnte, wusste ich, dass Vianne in meiner Nähe liegt... jetzt bin ich allein in diesem Raum...." 
 
Adas neues Türschild...

Ich habe versucht, ihr Zuversicht zu schenken, habe ihr erklärt, dass Vianne sie so sehr geliebt hat, dass sie gar nicht weg sein kann, vielleicht physisch, aber nicht vom Gefühl her. Und dennoch fielen meine Tränen auf sie herab, weil ich Viannes physische Präsenz ebenso vermisse wie Ada. Doch wo Schatten sind, ist auch Licht. Eine gute Freundin schickte mir diese Zeilen:

"When I die give what's left of me away
to children and old men that wait to die.
And if you need to cry,
cry for your brother walking the street beside you.
And when you need me, put your arms around anyone
and give them what you need to give me.

I want to leave you something,
something better than words or sounds.
Look for me in the people I've known or loved,
and if you cannot give me away,
at least let me live in your eyes and not in your mind.

You can love me best by letting hands touch hands,
and by letting go of children that need to be free.
Love doesn't die, people do.
So, when all that's left of me is love,
give me away.

(Meditations befor Kaddish)

In diesem Sinne... Gute Nacht!