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Donnerstag, 25. April 2019

Ohne... zwischen Traurigkeit und Glück

Echtzeit! 25. April 2019

Zitat Ada - nachdenklich: "Ich habe nun schon fast die Hälfe meines Lebens ohne Vianne verbracht..."

ja! ...und sechs Jahre mit ihr... Sechs wertvolle Jahre, zu denen ich mich mit jeder Faser meines Körpers und mit jeder Facette meines Wesens zurücksehne - sogar zu den schmerzhaften Momenten. Warum? Weil Vianne einfach da war. Weil ich sie drücken, halten und streicheln konnte. Weil sie mit ihrem ganzen Wesen anwesend war.Was für ein egoistischer Gedanke! Dabei bin ich absolut dankbar, dass IHR Schmerz nicht dauerhaft ist. Für sie bin ich gerne Schmerz und Glück und Dankbarkeit in einem.
Wieder ist es für mich ein Spagat zwischen tiefer Traurigkeit, die mir die Kehle zuschnürt und die Tränen in die Augen drückt, und einem unbändigen Glücksgefühl, dass wir heute Adas Geburtstag feiern dürfen. Ich liebe ihre Lebendigkeit und diese unverfälschte Freude, die sich in ihren Augen widerspiegelt. Dieses Horchen, ob wir frühmorgens bereits mit Geburtstagskuchen und brennenden Kerzen flüsternd vor ihrer Zimmertür stehen, um sie schließlich mit einem lauten, aber schrägen "Happy Birthday" in ihren Geburtstag geleiten, während sie schon ganz zappelig in ihrem Bett liegt und sich all die Geschenke erhofft, die sie uns mitgeteilt hat. Es ist wunderbar und einzigartig - eine Vorfreude, die die meisten Erwachsenen gar nicht mehr kennen oder an die sie sich nur noch dunkel erinnern. 
Ja, selten liegen Trauer und Glück so nah beieinander wie an Adas und Viannes Geburtstag.  Ich hatte ehrlich gesagt bis heute Morgen noch kein Geschenk für Vianne (bis auf eine eigens verzierte Kerze, die ich gestern Abend zusammen mit Adas Kerze  hergerichtet hatte) - und während es mir bewusst wird, bin ich so dermaßen beschämt, dass ich Schlucken muss und mich am liebsten davonschleichen würde. Aber was - um Himmels Willen - schenke ich meinem Kind, wenn es nicht mehr körperlich anwesend ist. Ihr Grab ist voll mit Muscheln und Steinbotschaften, zauberhaften Elfen und bunten Blumen. WAS gebe ich ihr mit?????? Kein Leuchten wird sich in ihren toten Augen zeigen, kein schelmisches Lächeln um ihren Mund spielen... Also schenke ich ihr meine uneingeschränkte Liebe. Mein Herz. Meine Gedanken und meine Sinneseindrücke, wenn ich für sie dem leisen Klackern der Kieselsteine am Strand lausche, die von den Wellen hin und hergerollt werden. Ich sauge für sie den Duft von Rosmarin und Thymian auf, streiche mit meinen Händen über die Grashalme  und lasse meinen Blick über die Steilküste Mallorcas gleiten... Ja, Mallorca...




Es ging wieder alles so schnell, so unorganisiert und improvisiert, so Nicole eben. Denn auch Adas Geschenk wurde erst am Vorabend ihres Geburtstages fertiggestellt. Sie hat nun mit 10 Jahren ein Handy - mein altes Smartphone - von uns geschenkt bekommen. Nur blöderweise hatte ich den Code für die Tastensperre vergessen. Aber Micha hat es glücklicherweise gerichtet. Ich mit meinem mangelnden Technikverständnis würde immer noch dümmlich sabbernd und schwitzend vor der Internetanleitung hängen. Denn gestern Morgen waren wir noch auf Mallorca und - welch Wunder - wir haben sogar rechtzeitig unseren Flieger gekriegt und mussten nicht wieder rennend und keuchend und fluchend (sobald die Puste wieder da ist) ins Terminal D schliddern, wie noch im Herbst 2014 mit Vianne auf dem Arm. Natürlich hatten wir auch dieses Mal wieder das Gate gaaaanz weit hinten, aber es blieb noch Zeit für Kaffee, Croissant und letztem Pipigang. Wir sind mit Jesse und Vianne im Gepäck über die Insel gewandert, haben staunend die vom Wind aufgepeitschten Wellen beobachtet, die donnernd an die Felsküste krachten und haben uns bei mageren 16 Grad Celsius fröstelnd ins Wasser vorgetastet. Wir sind an unsicheren Seilen auf alte Wehrtürme gekrochen, um atemberaubende Landschaftseindrücke zu ergattern und haben uns, sobald sie auftauchte, die Sonne in Nacken und Gesicht scheinen lassen. In Sant Elm haben Ada und ich am Strand gemeinsam Viannes Namen mit Kieselsteinen in den Sand geschrieben. Gerade als der letzte Balken des E fertig geworden war, schwappte eine kräftige Welle hinüber und würfelte die dicken Steine durcheinander. "Vianne wollte uns wohl ärgern", lautete Adas schelmischer Kommentar. 


Heute, am späten Nachmittag, bevor Andi und Ralf eintrafen, habe ich Viannes Grab besucht und ihr vor Ort eine Geburtstagskarte geschrieben.. Ich habe die kleine Spieluhr "Somewhere over the rainbow" leiern lassen - unglaublich, dass sie auch nach fast vier Jahren noch eine Melodie hervorbringt. Eine Kerze konnte ich nicht anzünden, weil ich das Feuerzeug vergessen hatte... Nicole eben. Während ich das kleine Herzblumenblatt aus unserer Küche eingebuddelt habe, hatte ich plötzlich das überstarke, irrationale Bedürfnis, immer tiefer und tiefer graben zu müssen und Vianne dort raus zu holen... 

Zwei Stunden später haben Andi und Ralf, Micha, Luke, Ada und ich schwitzend und kichernd Verstecken durchs ganze Haus gespielt und uns unter unseren Sitzsack und  Kleiderbergen in Lukes Schrank versteckt... ein Spagat zwischen Traurigkeit und Glückseligkeit, unterlegt mit einem Hauch Irrsinn.

Happy Birthday, Vianne. Lass den Regenbogen flimmern und schimmern und nimm Ada heute fest in den Arm. Beim Einschlafen hat sie sich so sehr nach dir gesehnt: "Ich habe nun schon fast die Hälfe meines Lebens ohne Vianne verbracht..." 



Meine tapferen Zwillinge. Ich bin so voller Stolz auf euch beide. Happy Birthday Ada und Vianne! Für immer zusammen, und doch entzweit... Es tut mir so leid!