24. Juli 2016 - kurz nach Mitternacht
Ich habe mich gerade in mein Schlafzimmer zurückgezogen...du liegst heute nicht mehr neben mir. Vor einem Jahr waren es deine letzten Minuten...so sanft und selbstbewusst, so überlegen hast du ausgeschaut...und so müde und geschwächt. Ich würde dir nicht gerecht, wenn ich mich nur auf diese letzten Minuten, Stunden, Tage besinnen würde. Du warst so viel mehr...so viel mehr...für mich, für uns, für enge Freunde aber auch für andere, die dich gar nicht so gut kannten. Du hast fasziniert und die Herzen im Sturm erobert - von Anfang an, vom ersten Atemzug an.
Du warst mit mir Skifahren, da warst du noch gar nicht geboren. Und es hat dir anscheinend gefallen. Später, als du selbst auf den Skiern stehen konntest, konnte es dir nicht schnell genug gehen, als würdest du dieses wunderbare Gefühl bereits kennen. Du bist nur sieben Minuten nach Ada, um 7.23 Uhr an einem wunderschönen sonnigen Morgen auf die Welt gekommen. Ich glaube, der Himmel hat sich einfach nur gefreut, dass du da bist, so sehr hat er gestrahlt, so warm hat er dich begrüßt. Bereits mit neun Monaten wolltest du die Perspektive wechseln und hast dich zum ersten Mal an Tischen und Schränken zum Stand hochgezogen. Von da an war kein Halten mehr. Wie oft hast du dich abwechselnd mit Ada im Puppenwagen durch das Wohnzimmer schieben lassen, mal saß Ada im Wagen und du hast sie, auf deinen kleinen Beinchen schwankend, kichernd geschoben, mal saßest du darin. Im "Zwergenland" im Kindergarten war es eine deiner größten Freuden, dich mit sämtlichen Taschen und Ketten zu behängen, die du finden konntest. "Alles meins!" war deine Lieblingsantwort. Mit niemand anderem konntest du an einem Tag so herrlich kichern und so voller Inbrunst streiten wie mit Ada - ihr ward ein unschlagbares, verschworenes Duo, das sich die herrlichsten Phantasiespiele ausdachte: "Eni Goldi" - bis heute habe ich keine Ahnung, was ihr da zusammen gespielt habt. Ada kann sich leider auch nicht mehr erinnern. Und ihr beide hattet die besten Geheimplätze. Du hast Luke und Jesse so sehr geliebt. Immer wenn Jesse vom Tennis oder Luke vom Zan-Shin-Do kam, hast du dein Näschen an die Fensterscheibe gedrückt und freudig zur Begrüßung gegluckst. Verkleiden war eines deiner großen Hobbies: Mal hattest du im Winter einen Badeanzug an und hast auf dem Küchenboden Schwimmbad gespielt, mal hast du dich im Sommer in Handschuhe, Schal und Mütze gemuckelt, an den Füßchen ebenfalls riesengroße Handschuhe, die du zu Schlittschuhen umfunktioniert hast - und dann ging es ab auf die Wohnzimmer-Eisbahn. Mit Ada hast du dich immer um das weiße Sternenkleid gestritten, oder um das rote Erdbeerkleid. Ja, das Anziehen war schon immer deine große Leidenschaft... Du hast Geschichten geliebt, von Feen und Pferden und Elfen und Dinos. Wie sehr dir das Buch von der Riesenbirne gefallen hat, das dir die Kindergartenkinder und -eltern geschenkt haben, als du bereits krank warst. Du hast so gerne "Verfühlt nochmal" oder das Eisbecher-Spiel - ein Geschenk aus der Kinderklinik - gespielt. Du liebtest Blumen und hast die allerbesten Matsche-Pampe-Blumensuppe gekocht. Du hast die Welt auf die dir eigentümliche Art wahrgenommen ("der Baum blütet") und hast dich vehement und lautstark beschwert, wenn die Dinge nicht so liefen wie du wolltest. Tanzende und singende Plüschtiere haben es dir besonders angetan und du hast mit ihnen um die Wette getanzt und gesungen. Einmal habe ich dich dabei gefilmt - das konntest du überhaupt nicht leiden. Wie gern du geschaukelt hast, sogar wenige Tage nach der zweiten schweren Hirn-OP. Du warst das einzige Kind in unserer Familie, das grüne Smoothies in allen Variationen mochte. Eier hast du für dein Leben gern verspeist, ganz gleich ob gekocht, als Spiegelei oder als Rührei, besonders die von Schoofis Hühnern. Du konntest dich wunderbar verstecken. Im Oktober 2014 im Ferienhaus auf Mallorca hast du so ein geniales Versteck gefunden. Wie lange wir dich alle gesucht haben. Ganz ruhig und zusammengekauert hocktest du auf einer Zwischenplatte eines kleinen Tisches, über das ein Tischtuch hing, das bis zum Boden reichte. Noch immer kann ich dein schelmisches Kichern hören...Als du mit Ada im Ballett getanzt hast, warst du so gerne der Schmetterling, der flügelschlagend und mit kleinen Tippelschritten durch den Ballettsaal rauschte. Du hast so herrlich mit mir diskutiert, und das schon in so jungen Jahren (auch wenn du mir dabei ein ums andere Mal gewaltig auf den Keks gegangen bist). Diese Wortgewandtheit und das Verständnis für die feinen aber essentiellen Unterschiede in der Sprache hattest du mit Jesse gemein. Wie vertrauensvoll du oftmals auf andere Menschen zugegangen bist und deren Herzen im Sturm erobert hast: in der Dechenhöhle hast du deine kleine klebrige Hand in Steffis große geschmiegt. Ab da ward ihr Freundinnen...deine große Freundin, von der du immer gesprochen hast. Wenn es um die Begegnung mit Menschen ging warst du die, die vorausgegangen ist, auch wenn du das ein oder andere Mal ganz schön skeptisch geguckt hast. Beim Ausprobieren hoher Rutschen oder bei deinem allerersten Frisörtermin hast du Ada vorgeschickt - eine gute Aufgabenteilung. Kaum einer konnte schelmischer von der Seite gucken, kaum einer konnte sich mehr entrüsten...und kaum einer hatte solch feine Fühler für die vielen vielen Schönheiten auf der Welt, die da sind - auch in schlimmen Zeiten. Deine Lieblingsfarbe: bunt
Ich liebe dich! Pur, innig, ewig, über alle Grenzen hinweg...