Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Dienstag, 25. April 2017

Happy Birthday

Echtzeit! 25. April 2017

Zitat Ada - 6.15 Uhr heute morgen: "Der Tag ist super, weil alle so fröhlich sind!"

Es ist ein Spagat für mich: Da ist einerseits Ada, meine quirlige, überschäumende Tochter, die schon morgens um 6 Uhr, wenn auch noch halb verschlafen, erwartungsfroh die Treppe hinunter tapst und mit großen, leuchtenden Kinderaugen ihren Geburtstagskuchen und die Geschenke entdeckt. Sie ist Freude pur, gepaart mit einer reichlichen Portion Aufregung. Sie hat ein Anrecht darauf, sich auf ihren Geburtstag zu freuen - unbeschwert und frei. Und das versuchen wir ihr und uns zu ermöglichen. Ihre Lebendigkeit und ihr offenes Wesen tun so gut und wir lassen uns nur zu gerne mitziehen in ihren Strudel aus Heiterkeit, purer Lebensenergie und Ausgelassenheit. Nachmittags kommen Oma und Opa und Andi und Ralf zu Besuch und wir futtern Unmengen an Kuchen und packen noch mehr Geschenke aus. Voll des Zuckers und voller überschüssiger Energie veranstalten wir anschließend eine wilde Kissenschlacht mit allen zusammen im Wohnzimmer. Oma und Opa beschränken sich allerdings lieber auf die Rolle der Videofilmer und Fotografen, wobei ihnen jedoch vereinzelt ein Kissen um die Ohren fliegt.


Andererseits fühlt es sich für mich immer noch nicht echt und richtig an. Sechs Jahre lang durften wir zwei Geburtstagskinder feiern, durften in zwei aufgeregte und erwartungsfrohe Gesichter schauen, die Spannung beim Auspacken der Geschenke beobachten. Es war meistens laut, es war turbulent, es war großartig. Wir haben ein ums andere Mal  geschmunzelt, wenn die kleinen Damen über ihre Geschenke gefachsimpelt und einträchtig nebeneinandersitzend Kuchen gemampft haben - jede hatte natürlich einen eigenen. Gegenseitig haben sie sich klitzekleine Stückchen zum Probieren rübergereicht, immer darauf bedacht, bloß nicht zu viel abzugeben.
Vianne fehlt mir mehr denn je an solchen besonderen Tagen. Ich schaffe es, echte Fröhlichkeit wegen Adas Geburtstag zu empfinden, und in unbeobachteten Momenten, außerhalb Adas Reichweite, heute Morgen auf der Fahrt zur Arbeit, lasse ich meine tiefe Traurigkeit aus mir herausfließen. Was für ein Gefühlskarussell an einem einzigen Tag....
Am anderen Ende des Küchentisches liegen heute Viannes Geschenke. Eigentlich hat sie dort nie gesessen, es war Jesses Platz. Es ist jedoch die einzig freie Ecke, da der Rest des Tisches bedeckt ist mit Adas Geburtstags-Schlangenkuchen, Geschenke-Päckchen, Frühstückssachen, Tellern, Tassen, Kerzen... Es war eine ganz spontane Eingebung, ein paar Kleinigkeiten, die mich an sie erinnern und von denen ich meine, dass sie zu Vianne passen oder ihr gefallen könnten, gestern Abend, nachdem Ada und Luke zu Bett gegangen waren, noch schnell auf den Geburtstagstisch zu legen. Eigentlich sind es auch keine richtigen Geschenke - jedenfalls keine Geschenke zum Spielen. "Was soll das, sie kann damit eh nichts mehr anfangen", sagt mir mein Verstand mit einem nüchternen, trotzigen Unterton in der Stimme. Für mein Herz ist Vianne jedoch noch so allgegenwärtig - und manchmal überzeugt es auch meinen Verstand. 
Am späten Nachmittag sind wir gemeinsam zum Friedhof gegangen und haben die Kerzen auf Viannes Grab angezündet und unsere Geschenke abgelegt. Die von Andi gestaltete Perlenkette und mein Glas mit den Federn wollten wir unbedingt in die Zweige des Baumes über Viannes Grab hängen. Allerdings kamen Andi und ich nicht heran. Schließlich hatte Opa die Idee, mit seinem Stockschirm nach den Zweigen zu angeln, um sie zu uns hinunterzuziehen. Doch wir kamen noch immer nicht heran, so dass Andi mich schließlich samt Stockschirm hochhob. Wir mussten so herzhaft lachen, weil wir fast zusammen umgefallen wären. Aber wir waren erfolgreich! Ada und Luke wollten beide nicht mit zum Friedhof kommen - das ist auch völlig in Ordnung. Sie haben gemeinsam Adas neue Geschenke getestet. Ada scheint jeden Gedanken an Vianne heute zu verdrängen und lenkte ganz schnell vom Thema ab, als ich sie heute Abend beim Zubettbringen gefragt habe, ob sie an Vianne denken musste. Das zeigt mir, wie sehr sie sie vermisst und wie wichtig ihr heute ein unbeschwerter Tag ist, an dem sie voll auf ihre Kosten kommt. Das hat sie verdient!

Heute ist Adas und Viannes Geburtstag - ich erinnere mich voller Wärme an ihre ersten Atemzüge vor acht Jahren.... und an das unbeschreibliche Glück, das ich empfunden habe, als ich die kleinen zarten Mäuse das erste Mal im Arm halten durfte. 
Ada kann ich noch immer fest in den Arm schließen, dich drücke ich in Gedanken ganz fest, kleine Vianne! Und ich habe ein Geschenk an dich: in weniger als drei Wochen findet deine Lesung statt, auf der ich allen, die es hören wollen, erzählen werde, was für ein außergewöhnliches, kleines starkes Mädchen du gewesen bist... Wo immer du auch bist - ich wünsche dir, dass du das einzigartige Glitzern der Tautropfen im ersten Sonnenlicht siehst, dass meine Liebe zu dir deinen Geist streichelt und du ausgelassen durch Regenbogenpfützen hüpfst. Heute gibt es bei dir sicher Matschepampe-Blumensuppe als Geburtstagsessen... Happy Birthday!


Montag, 17. April 2017

In Gedanken

Echtzeit! 17.04.2017

Auch wenn ich momentan nicht so oft dazu komme, etwas zu schreiben, sind meine Gedanken tagtäglich bei Vianne. Es ist schon wieder so vieles passiert, seitdem ich das letzte Mal - zur Karnevalszeit - etwas gepostet habe. Ich bekam übrigens am ersten Abend unseres Tanzauftritts vom Festkomitee des Hennener Karnevals den Großen Hausorden verliehen - eine Auszeichnung für meinen Einsatz in den letzten Jahren, seit ich aktiv bin. Diese Ehrung kam für mich absolut unerwartet und hat mich sehr bewegt, insbesondere weil sie so offensichtlich von ganzem Herzen kam und ich das Gefühl hatte, dass alle, die an diesem Abend im Festzelt anwesend waren und mich und meine Familie kennen, diese Auszeichnung befürworteten. 
Vianne ist so gegenwärtig - das zeigt sich sogar in meiner Gestik: vor einem halben Jahr, im September 2016, habe ich mir morgens im Auto selbst, fast unbemerkt, die Daumen gedrückt, so wie Vianne es in ihren letzten Lebenstagen häufig getan hat. Ich musste schmunzeln, während mir zugleich die Tränen über die Wangen liefen.

Auch Ada macht sich nach wie vor viele Gedanken über Vianne. Anfang November 2016 kuschelten Ada und ich morgens gemütlich im Bett, sie war ganz durchgefroren und hatte eiskalte Füße:  
"Glaubst du, dass Vianne jetzt jetzt auch mit verstorbenen Katzen kuschelt? Oder mit Jesse?", fragte sie mich plötzlich. 
"Ich glaube nicht, dass Vianne friert, dass sie etwas Körperliches spürt", antwortete ich und setzte, einem Impuls folgend, nach: "Was glaubst du, wo sie ist?" 
Ada: "Ich glaube, ein Teil von ihr ist noch in ihrem Grab - ich weiß nur nicht wo..." fügte sie nachdenklich hinzu, während sie ihre kleine Stirn kraus zog. "Was glaubst du, Mama, glaubst du das auch?"  
"Sie kuschelt sich in die Wolken", sagte ich verträumt und fragte Ada: "Suchst du sie manchmal?" Ada: "Ja, ich muss noch erforschen, wo sie ist - irgendwo im Grab."  
"Ich glaube nicht, dass sie noch im Grab ist, sie braucht keinen Körper mehr," erklärte ich ihr.
Ada : "Vielleicht ist sie in den Wolken, die verändern sich ja immer und werden größer (Ada guckte dabei angestrengt aus dem Dachfenster), vielleicht kommen immer neue Verstorbene dazu und dann treffen sich alle an einem Punkt, um aufzubrechen...."  Ada ist zauberhaft in ihren Gedanken und macht mir Mut! Diese Gespräche sind oftmals schwer für mich, insbesondere wenn sie aus heiterem Himmel kommen, und doch sind sie so wertvoll, weil sie mir Adas kindliche und seelenstreichelnde Gedankengänge zeigen.

Erst letztens wollte Ada partout nicht allein in ihrem Zimmer schlafen. Sie möchte mit Vianne zusammensein, insbesondere des nachts. Erst als ich ihr vorschlug, dass ich gemeinsam mit ihr in ihrem Zimmer übernachten würde, gab sie sich zufrieden. Sie brauchte an diesem Tag so viel Nähe, dass sie darauf bestand, dass ich nicht nur unter ihr im Hochbett, sondern oben neben ihr liegen werde. Ich habe ihr diesen Wunsch sehr gerne erfüllt und selbst ganz selig geschlafen. Es tat uns anscheinend beiden gut. Auch ich habe noch immer die Bilder vor Augen, wie beide Mädels durch die Betten toben oder einträchtig nebeneinander auf der Bettkante hocken.
Im März habe ich mir noch einmal zusammen mit einer lieben Freundin einen viertägigen Skiurlaub gegönnt - es war so lustig und wohltuend, dass ich vor lauter Lachen Bauchmuskelkater hatte. Dieses Durchatmen inmitten der Berge war aber auch wichtig, um die "Do you remember-Party" für Jesse vorzubereiten. Danach und auch nach der Beerdigung von D. (er litt auch an einem Ependymom - ihn und seine Familie haben wir in der Dortmunder Kinderklinik kennen und schätzen gelernt und oftmals zeitgleich ängstlich auf die MRT-Ergebnisse gewartet - mögest du, kleiner D. nun gemeinsam mit Vianne unbeschwert und frei durch die Wolken turnen) mussten wir uns als Familie im wahrsten Sinne des Wortes erst einmal wieder mental freistrampeln. Wir haben uns mit unseren Freunden und zahlreichen Kindern im Schlepptau auf eine spannende, erfrischende, apfelblütenduftige, witzig-chaotische, anstrengende und zugleich belebende Radtour von Bozen nach Verona und weiter mit dem Zug nach Venedig aufgemacht. 































Auch hier war Vianne so oft präsent und auf dem Streckenabschnitt am Gardasee sah ich sie lachend und manchmal auch schimpfend neben mir radeln - und mir kamen die Tränen. Wie gerne würde ich Ada und Vianne nebeneinander aufwachsen sehen. Ich stellte mir vor, wie sie sich von Fahrrad zu Fahrrad unterhalten, streiten, argumentieren und zusammen kichern und dabei Land und Leute versehentlich umfahren würden... Natürlich konnte ich es mir nicht nehmen lassen, für Vianne, Jesse und mich ein sehr erfrischendes und dementsprechend kurzes Bad in der Etsch und im Gardasee zu nehmen, um ihnen all' die Sinneseindrücke durch mich zu geben, die sie selber nicht mehr spüren dürfen.
Morgen hat erst einmal Luke Geburtstag - und in einer Woche feiert Ada (und natürlich auch Vianne) ihren 8. Geburtstag. Die Vorstellung, zu feiern, fällt mir ein ganz klitzekleines bischen leichter als im Vorjahr - vielleicht weil wir es schon einmal ohne Vianne geschafft haben. Wir werden sehen - vielleicht empfinde ich in wenigen Tagen schon wieder ganz anders. Vianne bekommt ihren großen Auftritt auf ihrer Lesung am 16. Mai. Ich freue mich schon sehr darauf, sie dann so nah bei mir zu wissen... Und ich vermisse sie schon wieder so intensiv... das wird sich niemals ändern... und das ist auch gut so, denn es zeigt, wie sehr ich sie geliebt habe, wie sehr wir sie alle geliebt haben und lieben - unendlich!