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Montag, 8. Februar 2016

Mein Blick

Echtzeit! 08. Februar 2016

Noch nie kam mir der Februar so lang vor, noch nie habe ich diese Jahreszeit in dieser Intensität so dunkel und schwer empfunden. Ja: ich bin müde. Ich bin kraftlos. Ich sehe nicht mehr hin. Sehe das Schöne und Außergewöhnliche nur noch hinter einem Schleier aus Zweifel und Traurigkeit. Sehe Viannes und Jesses Zeichen nicht mehr so intensiv. Bin blind. Dafür brechen Bilder aus der Vergangenheit massiv hervor, überschwemmen mich. Bilder - überall Bilder. Jesse, Vianne, Vianne, Jesse...So viele Erinnerungen. Alle schmerzen derzeit. Dort an der Straßenecke habe ich Jesse einmal abgeholt, dort habe ich geparkt, um im Schuhladen die ersten kleinen Schühchen in Größe 18 für Ada und Vianne zu kaufen. Bilder, überall Bilder... längst vergessen geglaubte Erinnerungen kriechen wieder an die Oberfläche. Ich fahre die Jungs zum Tennistraining. Jesse wird nie wieder Tennis spielen, Vianne nie wieder im Auto sitzen und auf der Fahrt "Kein Keks für Kobolde" hören. Unser Bulli ist verkauft - der Bulli, in dem wir alle einen Platz hatten, in dessen Kofferraum sich Vianne mit zwei Jahren während unseres Frankreich-Urlaubs zwischen all den Schlafsäcken und Rucksäcken und Spielsachen und dem pinkfarbenen Paddelboot versteckt und freudig gekichert hat. 
Ich giere nach dem nächsten Skiurlaub, in der vagen Hoffnung, das entfernte Gefühl der Lebendigkeit für einen klitzekleinen Moment auf den schneebedeckten Gipfeln zu spüren, mit meinen Skiern oder meinem Snowboard unter meinen Füßen. Ich giere nach dem kommenden Kurztrip gen Norden, wenn ich das Meer spüren, schmecken, riechen darf. Nur inmitten der kräftigen Naturelemente - im peitschenden Wind, im Regenschauer, in der Brandung, im Sturm, im Tiefschnee fühle ich einen Abklatsch der mir eigenen Lebendigkeit. Ich hangele mich von einem Tag zum nächsten. Funktioniere. Schaffe. Mache. Tanze. Lache. Lebe und bin innerlich doch so erfroren. Tränen kommen in der Abgeschiedenheit und bringen etwas Erlösung und unermessliche Erschöpfung. Mein Laufpensum ist hoch und schafft doch nicht die gewünschte Erleichterung. Ich komme nicht mehr nach: nicht mehr mit mir, nicht mehr mit den mir wichtigen Vorhaben. Ich möchte mich bei so vielen lieben Menschen bedanken - für ihre Hilfe in der Vergangenheit, für ihren Schulterschluss in der Gegenwart. Ich möchte danke sagen dafür, dass sie mir meinen innerlichen Rückzug gewähren, ich möchte danke sagen dafür, dass meine Freunde immer wieder den Mut aufbringen, diesen Kokon ab und zu vorsichtig zu durchdringen. Heute, ein Jahr später, habe ich es endlich geschafft, unserer lieben Vermieterin in Waldshut (an der Schweizer Grenze) eine Nachricht zu schreiben, sie über Viannes Tod zu informieren und ihr meinen Dank für ihre uneingeschränkte Unterstützung auszusprechen. Nach unserer überstürzten Abfahrt ins Züricher Kinderspital damals hatte ich keine Gelegenheit mehr, mit ihr zu sprechen. Andi und Ralf regelten alles vor Ort. 
Ich wünsche mir so sehr, meinen mir eigenen Blick wieder zu erlangen. Ich weiß, dass er da ist - ganz tief in mir. Er wird immer da sein. Es ist mein Blick. Den ich gerade etwas aus den Augen verloren habe. Ein weiterer Verlust, aber hoffentlich nicht für immer. Die Zuversicht, dass mein Blick noch vorhanden, nur tief in mir vergraben liegt, kam heute zurück mit dem doppelten Regenbogen, der sich nach einem heftigen Sturm ganz plötzlich am Himmel zeigte. Danke Vianne! Danke Jesse!

1 Kommentar:

  1. ......wir denken an euch......ganz oft......ich wünschte ich könnte dir Kraft schenken. Fühl dich umarmt. S und B v.B.

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